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Interview mit Charly Diehl, Autor der Groteske "Schuhe"
von Zett Philip

Zett Herr Diehl am 6.Dezember startet das Independent Theatre mit der Produktion ihres Stückes ‚Schuhe’ Um was geht es da?
Diehl Der Aufhänger ist ganz einfach: Ein fiktiver , kleiner Ort bekommt hohen Besuch, und um zu verhindern, dass jemand aus Verachtung einen Schuh wirft, werden alle Schuhe verboten und eingezogen. Auf dem Schuhfriedhof treffen sich barfüßige Frauen und der männliche Schuhbeauftragte. In dem sich anbahnenden Schuhkonflikt werden alte Rechnungen beglichen und die Geschlechterrollen neu definiert.
Zett m was geht es dann wirklich?
Diehl Erstmal muss gesagt werden, dass wir uns in einem bestimmten Teil der westlichen Gesellschaft bewegen. Nennen wir diesen Mikrokosmos ‚Mittelschicht PLUS’. Hier haben sich in der Tat gewisse Entwicklungen ergeben. Viele Frauen lassen vollkommen zu Recht herkömmliche Geschlechterrollen nicht mehr gelten. Trotzdem mischen sich immer noch atavistische Befruchtungsreflexe und mittlerweile sinnlos gewordenes Anspruchsdenken ein. Diese Mischung macht uns alle zur Ursache der jetzigen Singlegesellschaft.
Zett Kann es heute zwischen Mann und Frau keine wahre Liebe mehr geben?
Diehl Natürlich gibt es Liebe zwischen Mann und Frau, aber viel spannender ist die Frage, warum sie in unserer Scheidungs- und Singlegesellschaft immer häufiger unerfüllt bleibt.
Zett Sie verwenden eine Kunstsprache , in der viele gängige Begriffe durch unbekannte Synonyme ersetzt sind. Warum?
Diehl Ein Freund von mir schrieb vor kurzem eine Kurzgeschichte mit dem Titel: Eintracht führt zum Bruch. Ich als Fußballfan dachte sofort an Eintracht Frankfurt mit ihrem Manager Bruchhagen. Gemeint war aber, Zuviel Harmonie in der Beziehung führt zur Abkehr voneinander. Sie erkennen die Assoziationskette. Genau die will ich ausschalten. In einem früheren Stück taucht ein Asylant auf. Bei diesem Wort hat jeder einzelne von uns seine Assoziationskette. Also nannten wir die Figur ‚Anderskopfling’. Sofort muß jeder überlegen, was ist jetzt schon wieder gemeint? Ein Asylant oder was? Die übliche Assoziationskette ist ausgeschaltet und die Chance vorhandene Ausgrenzungstendenzen der Gesellschaft zu durchschauen, deutlich größer.
Zett Theater als Denklabor?
Diehl Als Denk – und Fühllabor.
Zett Haben sie keine Angst davor, dass das Publikum das zu anstrengend findet und verstimmt ist.
Diehl Das ist doch die alte Nummer. Natürlich findet man bei jeder Ausstellung von Beuys Leute , die sich davor stellen und behaupten, dass das ihr 4jähriger Sohn auch könne. Welche Schutzmechanismen da am Werke sind ist doch klar. Man kann sich aber auch vor die Kunst stellen und sagen: Mal gucken was das mit mir macht? Wie wirkt das auf mich?
Zett Kunst als umfassende mentale Bereicherung?
Diehl In unserer Glitzerwelt sucht man unentwegt nach neuen brachliegenden Regionen in der Seele des Homo Gaudienses , die man weiter hinunterbespaßen kann. Der Mensch fühlt sich nicht mehr vollständig. Er kann auch trauern, er kann hassen wollen, und schreien. Er kann irritiert sein und gelangweilt. Er kann kleine miese Betrügereien begehen wollen und sich unerwartet ästhetisch verhalten. Theater, wie ich es verstehe , kann diese vernachlässigten Landschaften der menschlichen Seele ansprechen.
Zett Und was hat der Zuschauer davon?
Diehl Aristoteles spricht von Katharsis . Durch das Durchleben von unangenehmen Emotionen erfährt der Zuschauer eine Art von seelischer Reinigung.
Zett Er muss dann erstmal nicht mehr zu Psychotherapeuten?
Diehl Jetzt wittern sie aber ihre Chance. Leider ist das zu schön um wahr zu sein.
Zett Zurück zu ihrem Stück: Ist das Verlangen der Frauen nach Gleichberechtigung echt? Oder wollen sie vielleicht doch nur geheiratet werden?
Diehl Natürlich finden wir, dass es ein Skandal ist, dass Frauen in Deutschland 21,6 % weniger für dieselbe Arbeit bekommen wie Männer. Das muss schnellstens korrigiert werden, doch das ist nicht unser Thema. Wir beschäftigen uns mit den ungewollt angenommenen neuen Geschlechterrollen. Z.B. ein fast pubertärer unreifer Mann, der nur die ganz junge Frau als akzeptabel begreift. Oder dass eine ganz wunderbar emanzipierte Frau nicht davor zurück schreckt die ‚WENN DU EIN MANN WÄRST-Karte’ zu spielen. Funktioniere wie ich das will, oder du bist ein impotentes Weichei. Wussten sie eigentlich, dass fast die Hälfte aller Gewalttaten in Paarbeziehungen von Frauen begangen werden? Wir werden alle zu Recht bleich, wenn wir hören dass unser Nachbar seine Frau schlägt, doch wenn eine 1,60 m große Frau jeden Abend ihren 2 Metermann verprügelt, huscht uns doch gerne ein Lächeln über die Lippen. Und der absolute Partybrüller ist zu erzählen, dass in Berlin demnächst ein Männerhaus eröffnet wird. Wo genau ist da unser aller kollektives Bewusstsein?
Zett Und welche Lösungen bietet ihr Stück an?
Diehl JTheater verhandelt Gesellschaft. Wie immer stifte ich nur Aussprache und hoffe, dass alle Argumente ausgewogen zur Sprache kommen. Ansonsten gilt: der Vorhang zu und alle Fragen offen.
Zett Vielen Dank für das Gespräch.



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